In English.
Ausbildungstruppe Lockstedt
Datiert: 26. August 1915.

M. J. 13630/15 A. I. Geheim.

Major Bayer 1916
Bataillonskommandeur
Major Maximilian
Bayer (1872-1917), 1916

1. Im Lockstedter Lager wird unter der Bezeichnung "Ausbildungstruppe Lockstedt" eine immobile Formation aufgestellt, bestehend aus mehreren Kompanien, die allmählich die Stärke eines Bataillons gemäß Stärkeanweisung D II 3 erhalten sollen, einer Maschinengewehrkompanie und einer Pionierkompanie.

2. Die Truppe ist bestimmt, Ausländer aufzunehmen, die sich freiwillig zum Eintritt melden. Die aufgenommenen Ausländer werden nicht deutsche Staatsangehörige. Die Heeresverwaltung übernimmt keine Verpflichtungen hinsichtlich eines Erwerbes der Staatsbürgerschaft. Sie verpflichtet sich auch nicht zu irgendeiner Unterstützung für den Fall, daß jemand im deutschen Heer verwundet und dadurch invalide wird. Ebenso können im Falle von Invalidität oder Tod die Angehörigen keine Ansprüche an das Reich stellen. Das muß ausdrücklich jedem Eintretenden gegen schriftliche Bestätigung mitgeteilt werden.

Die Ausländer müssen ferner beim Dienstantritt genau darüber unterrichtet werden, daß es ihre Pflicht ist, dem Deutschen Reich mit allen Kräften und überall zu dienen, sich nach allen Anordnungen der Vorgesetzten zu richten und sich den deutschen Reichs- und Militärgesetzen sowie den für die Kriegszeit geltenden Bestimmungen zu unterwerfen.

3. Die Truppe untersteht direkt dem stellvertretenden Generalkommando für das IX. Armeekorps in Dienst- und Verwaltungsangelegenheiten wie in rechtlicher Hinsicht.

Über ihre zukünftige Verwendung bestimmt die Oberste Heeresleitung.

Der Kommandeur der Truppe wird Major Bayer vom 27. Infanterieregiment. Er erhält die Befugnisse eines selbständigen Bataillonskommandeurs. Für die Einstellung von weiter erforderlichem Ausbildungspersonal und Kommandostellen setzt er sich mit dem stellvertretenden Generalkommando in Verbindung. Für etwa notwendig werdendes Hilfsmaterial sorgt das Kriegsministerium. Der Nachschub von Ausländerrekruten geht Major Bayer zu. Zu seiner Verfügung werden für diesen Zweck drei Offiziere und drei Unteroffiziere gestellt, die der Truppe über deren planmäßige Stärke hinaus zugewiesen und von dieser als Immobile entlöhnt werden.

4. Das Kriegsministerium stellt Waffen, Munition und Maschinengewehre (ausschließlich russische Kriegsbeute) sowie das im übrigen erforderliche Ausbildungsmaterial nach Anforderung durch den Kommandeur der Truppe zur Verfügung. Weiter werden zur Verfügung gestellt für jede Kompanie, auch Pionierkompanie, 20 Fahrräder sowie für die ganze Truppe Material für 4 Infanterietelefonkommandos. Das stellvertretende Generalkommando stellt ferner die notwendige Anzahl von Pferden.

5. Die Ausbildung der Truppe geht nach deutschen Prinzipien vor sich. Die Kommandosprache ist deutsch. Bekleidung und Ausrüstung in deutscher Jägeruniform (Achselklappe ohne Nummer) wird vom stellvertretenden Generalkommando besorgt.

Sold und Verpflegung sind die gleichen wie für die immobilen Truppen.

An Stelle einer etwa fehlenden Zahl von Unteroffizieren können Ausländer verwandt werden. Sie erhalten dann den Sold, der dem Dienst, den sie leisten, entspricht, tragen aber keine entsprechende Rangbezeichnung und werden auch nicht die Vorgesetzten der deutschen Unteroffiziere und Mannschaften. In diesem Falle entsprechen den deutschen Dienstgraden Vizefeldwebel, Unteroffizier, Gefreiter folgende Bezeichnungen: Zugführer, Gruppenführer und Hilfsgruppenführer. Zug- und Gruppenführer sowie - nach besonderer Verordnung - Hilfsgruppenführer sind den Ausländern ohne einen solchen Rang übergeordnet.

6. Das durch die Verordnung vom 23. Februar 1915 errichtete Kommando im Lockstedter Lager geht in der neuen Formation auf.

7. Der Leiter erstattet monatlich Bericht - zum erstenmal am 1. Oktober - an das stellvertretende Generalkommando und an das Kriegsministerium über Stärke, Stand der Ausbildung und sonstige Ereignisse.

8. Die Existenz der Formation muß soweit wie möglich geheimgehalten werden. Diese Verfügung soll daher nur den unmittelbar beteiligten Behörden und soweit wie möglich nur im Auszug mitgeteilt werden. Vor allem muß vermieden werden, daß die Formation auf irgendeine Weise in der Presse erwähnt wird.

Unterschrift: Wild von Hohenborn.*)


Aus dem Buch: "Finnlands Jugend bricht Rußlands Ketten. Die Geschichte des Preußischen Jägerbataillons 27" von Heinz Halter. Leipzig, 1938. Das Bild von Major Bayer is vom Buch "Jääkärit maailmansodassa" (Die Jäger im Weltkrieg), red. E. Jernström, Helsinki 1933.

*) von Hohenborn war der preussische Kriegsminister.


Hintergrundinformationen: Während des ganzen ersten Teils der 1910er Jahre wurden in Finnland die Massnahmen zur Unterdrückung verstärkt. Dem wurde mit passivem Widerstand begegnet. Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges, der mit dem massiven Hereinströmen russischer Truppen nach Finnland verbunden war, führte, gleichzeitig mit entdecktgewordenen Plänen über totale Annihilation der finnischen Autonomie, innerhalb der Studentenschaft zu einem Umdenken. Das erste geheime Treffen fand Ende November 1914 im Haus der Ostrobothnischen Studentenbruderschaft in Helsinki statt. Einige Tage später wurde ein Ausschuss gegründet, dessen Ziel es war, unter Ausnutzung der neuen Kriegssituation Finnland von Russland abzuspalten. Als Vorraussetzung dazu wurde die Schaffung einer militärischen Führerschaft angesehen.

Die einzige Möglichkeit, diese Pläne zu verwirklichen, sah mann einer Unterstützung durch Deutschland. Die Vorstellung kam den deutschen Interessen entgegen und die Deutschen entschieden am 29. Januar 1915, 200 finnischen Studenten in 4 bis 6 Wochen dauernden Kursen militärisches Training zu ermöglichen. In Stockholm und in Berlin wurden Büros gegründet, um die Organisation zu übernehmen, und die Studenten begannen mit der Rekrutierung in Finnland.

Der erste Trainingskurs startete am 25. Februar 1915 im Trainingslager Lockstedt (jetzt, Hohenlockstedt) in Holstein bei Hamburg mit insgesamt 189 Studenten. Um den eigentlichen Zweck des Kurses zu verdecken, bezeichnete man ihn als Pfadfinderkurs. Major Maximilian Bayer war der Leiter und deutsche Offiziere sowie Unteroffiziere waren die Trainer. Die Jäger, wie sie später genannt wurden, wollten mehr und wünschten, den Kurs mit erweitertem Programm zu verlängern. Am 26. August 1915 fiel die Entscheidung, die Zahl der Trainierenden auf 2000 Männer zu erhöhen und diese zu einem verstärktenden Bataillon zusammenzufassen, das Ausbildungstruppe Lockstedt genannt wurde. Das Bataillon erhielt später den Namen 27. Königlich-Preussisches Jägerbataillon.

In Finnland wurde die neue landesweite Rekrutierung intensiviert. Nun schlossen sich auch ältere, einflussreiche Patrioten den Aktivitäten an, die zuvor Zweifel an dem Wirkungsvermögen der Jägerbewegung gehabt hatten.

Die Hintergrundinformationen sind freundlich von Ina Schultz übersetzt worden.


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